Orientierung bei der nächtlichen Pirsch - vor und nach dem Schuss
Warum ist es so schwierig Nachts Entfernungen und Größen abzuschätzen? Was hilft bei Orientierung auf der nächtlichen Pirsch auf Schwarzwild nach dem Schuss?
Wenn es nachts auf die Jagd geht, dann helfen wir uns für das Sehen bei Dunkelheit inzwischen oft mit moderner Technik aus. Digitale Wärmebildtechnik zeigt schon auf weite Entfernungen zuverlässig Warmblüter aller Größen und Klassen, die uns über den Pirschweg laufen können.Trotz der Technik können wir uns aber weiter auf unserer Sinnesorgane verlassen. Ist es dunkel und unsere Sehfähigkeit eingeschränkt, dann fahren Nase und Ohren ihre Leistung hoch und versuchen das entstanden Defizit so gut wie möglich zu kompensieren. Auch haptisches Feedback von den Füßen bekommt mehr zur Geltung.
Nachts jagen heißt mit allen Sinnen jagen
Gerade bei der nächtlichen Pirsch auf Schwarzwild sind Augen und Ohren nicht zu unterschätzen: Sauen haben ihren markanten Maggi-Geruch und sind, zumindest in Rotten, auch oft nicht zu überhören. D.h. man kann sie meist auch ohne Augen und Sehhilfen verorten.
Die grobe Orientierung fällt im Dunkeln die noch recht leicht, solange es einen (bekannten) Weg oder deutliche Landschaftsmerkmale gibt und Mond oder Sterne eine grobe Einteilung der Himmelsrichtungen erlauben.
Vor dem Schuss: finden, einschätzen, ansprechen
Was aber bei der nächtlichen Pirsch auf Schwarzwild schwer fällt ist das abschätzen von Größen und Entfernungen. Zum einen hat man nur ein kontrastarmes, unscharfes und mit wenig Detailinformationen ausgestattetes Bild zur Verfügung. Zum anderen spielt einem das Gehirn auch gerne mal einen Streich und sieht Dinge, die so gar nicht da sind. So wird aus einem Baumstumpf, der sich doch eben bewegt hat, gerne auch mal ein starker Lebenskeiler.
Auch das Abschätzen von Größenverhältnissen fällt schwerer, da es weniger brauchbare Referenzinformationen gibt (Baumstämme, Grashalme, Äste), die es uns bei Licht ermöglichen zu erkennen, ob das Stück Schwarzwild 30kg wiegt oder eher doch 60kg. Bei Licht sehen wir die Stücke eingebettet in einen gesamtheitlichen Zusammenhang mit der direkten Umgebung. Im Dunkeln steht uns nur einen schwarzer Klumpen in einem matschigen grauen Bild zur Verfügung.
Das Auge versucht aus den Informationen etwas sinnvolles zu machen
Unterschiedliche Restlichtverhältnisse im Dunkeln führen zu Verzerrungen in den Einschätzungen. Das Ansprechen der Größe von Schwarzwild wird bei Dunkelheit auch dadurch erschwert, dass bei diffusem Restlicht und entsprechender Größe der Kernbereich eines Stückes zwar deutlich zu sehen ist, der Randbereich aber mit dem Hintergrund verschwimmt. Sie wirken also kleiner, als sie in Wirklichkeit sind und es ist mitunter schwer zu erkennen wo bei der Sau hinten und vorne ist. Stehen Stücke einer Rotte versetzt hintereinander ist ohne Hilfsmittel nicht immer klar, welches Stück vorne oder hinten steht.
Bei direktem Mondlicht wirkt ein Stück durch den Schlagschatten dann aber ggf. stärker als es ist.
Optische Hilfen bieten nur einen aus dem Zusammenhang gerissenen Bildausschnitt
Die Wärmebildtechnik macht auf der Jagd einen signifikanten Unterschied. Auf Distanzen bis 30 m ist das Ansprechen des Stückes und ein Einschätzen von Größe und Entfernung bei entsprechender Erfahrung gut und sicher möglich. Ab 30 m sind Fehleinschätzungen von Distanzen und Größenverhältnissen wahrscheinlicher - mit oder ohne digitale Hilfsmittel.
Man muss sich vor Augen führen, dass wir, egal ob mit Fernglas, Zielfernrohr oder Nachtsichttechnik, immer hier nur einen kleinen und zudem noch vergrößerten Bildausschnitt des Gesamtbildes erfassen. Hinzu kommt, dass bei der digitalen Wärmebildtechnik durch die Sensorgröße wichtige Details zum Ansprechen nur auf auf Distanzen bis vielleicht 25m brauchbar abgebildet werden, stehen die Stücke weiter weg stehen weniger Sensorpunkte für die Aufnahme der Infrarotstrahlung zur Verfügung - die Details schwinden und die Abbildung wird auf die Silhouette beschränkt.
Bei der Jagd am Tag kommt der Effekt kaum zum Tragen. Wir haben nach Absetzten der optischen Hilfsmittel wieder das volle Sichtfeld, den gesamten Kontext von Wild und Umgebung.
Nachts haben wir ein unscharfes, kontrast-armes schwarz-weiß-Bild ohne echte Tiefe, bei dem man mit bloßem Auge die Rotte Sauen auf 50m optisch gerade so erahnt, manchmal auch nur weil man weiß, dass sie dort auch steht.
Nun denn - Sau gespottet, angepirscht, angesprochen, beschossen.
Nach dem Schuss...Entweder: Stück liegt im Feuer. Halali - Jagd vorbei, Waidmannsheil.
Der Artikel kann dann hier zu Ende sein.
Oder: Stück zeichnet und springt ab und ist weg.
Die Suche nach dem Anschluss - wo stand das Stück? Wo stand ich?
Die letzten Sekunden vor dem Schuss lag der Fokus voll auf dem Stück, dem Zeichnen und der Flucht. Die Bildfläche ist leer und der Schwenk geht zurück zum Anschuss. Hat das Stück bei der Schussabgabe nicht direkt an einem markanten Bodenmerkmal gestanden, dann beginnt die Suche nach dem Anschuss. Die mehr oder weniger grobe Richtung ist klar, die Entfernung meist nur bedingt. Im Wald sieht mitunter jeder Baum gleich aus, im Feld ist die räumliche Tiefe sehr dehnbar.
Wie markiere ich wichtige Orte in der Dunkelheit?
Wichtig ist jetzt der eigene Standort der Schussabgabe - das ist die erste sichere Referenz für die nächsten Schritte. Ich lasse das Dreibein stehen und hänge ein LED-Blinklicht dran. So kann ich mich auf der Suche nach Pirschzeichen immer daran orientieren und sehen, ob ich noch in der richtigen Flucht bin. Nach dem Schuss ist das Nachtsehen nicht mehr wichtig, Taschenlampe und Nachtsichttechnik können ungefiltert genutzt werden, ab jetzt gilt: viel Licht hilft viel.Der Wundwechsel in einen Maisschlag ist mit einem LED Blinklicht markiert
Da aber auch der Lichtkegel nur einen Bildausschnitt liefert bleibt die Orientierung gerade im Bestand weiterhin nicht einfach. Ist das verendete Stück dann gefunden, so markiere ich auch dieses mit einer Blink-LED, um es ohne Umwege wieder finden zu können. In der Regel ist das Blink-LED am Dreibein noch in Sichtweite, somit steht der Bergung der Beute nichts mehr im Wege. Herbeigerufene Hilfe findet so auch ohne Umschweife und telefonische Einweisung den Einsatzort.Alternativ kann man Knicklichter zum Markieren verwenden. Sie aber sind weniger hell und weil sie nicht blinken weniger auffällig. Zudem sind sie nach einmaligem Einsatz Abfall.
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